Karuna - Die unrühmliche Geschichte des "Herrn des Ostens"
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Vinayagamoorthy Muraleetharan
alias "Karuna" |
Karuna - immer wieder geisterte dieser Name in der
Vergangenheit durch die Medien, meist im Zusammenhang mit
irgendwelchen Gräueltaten oder wenn es um das unsägliche
Phänomen der Kindersoldaten in Sri Lanka ging. Zuletzt tauchte
der Name in Verbindung mit Passvergehen in Großbritannien auf
und hat zu diplomatischen Dissonanzen zwischen dem Vereinigten
Königreich und Sri Lanka geführt, deren Ausräumung noch nicht
abgeschlossen ist.
Wer oder was verbirgt sich aber hinter dem Namen Karuna?
Karuna, eigentlich ein aus dem Sanskrit stammender zentraler Begriff der buddhistischen
Geistesschulung und Ethik, bedeutet so viel wie Mitgefühl, im
Sinne von Mitleid. Genau diesen "Kampfnamen" (ja, so etwas
Perverses gibt es!) hat sich Vinayagamoorthy Muraleetharan,
ein abtrünniger LTT-Kommandeur gegeben.
Karuna war Kommandeur der LTTE-Rebellen und als Oberst für
die Bezirke Batticaloa und Amparai verantwortlich bevor er
sich aufgrund eines Konfliktes mit Rebellenführer Velupillai
Prabhakaran von der LTTE-Organisation abspaltete und mit der
paramilitärischen Organisation Tamil Makkal Viduthalai Pulikal
(TMVP) im Jahr 2004 seine eigene Organisation gründete. Aufgrund des
Waffenstillstandes von 2002 hatte die LTTE-Führung unter Prabhakaran die Hände weitgehend frei und begann
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LTTE-Führer
Velupillai
Prabhakaran |
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sich verstärkt um den Osten zu kümmern, wobei er die Privilegien
und Einflüsse der örtlichen Kommandeure radikal beschnitt. Das
war Muraleetharan (alias Karuna) natürlich gar nicht Recht,
war er doch dabei sich zum "Herrn des Ostens" aufzuschwingen.
Besonders hart traf den Obersten, dass Prabhakaran massenhaft
Agenten des LTTE-Geheimdienstes (TOSIS) in die Region
Batticaloa-Amparai einschleuste, die nicht nur Karunas Kreise
störten und Operationen ausführten, die dem Ruf des
"Herrn des Ostens" schadeten, sondern sich auch intensiv in
dessen Privatangelegenheiten einmischten. So ist die Rede von
einem Dossier, das angeblich Informationen über einen
Missbrauch von Fonds, eine außereheliche Affäre, den privaten
Hausbau und dissidente Tendenzen von Karuna enthält. Als dem
"Spezialkommandeur" dies zu Ohren kam, verstand er sofort,
dass Prabhakaran ihn beseitigen wollte. Umgehend ging er
daran, seine Einflusssphäre zu sichern, die TOSIS-Agenten
festnehmen zu lassen, einen eigenen Geheimdienst aufzubauen
und den LTTE-Chef zu attackieren. In einem Schreiben warf er
ihm Hegemonialstreben und Vernachlässigung der Kader des
Ostens vor. So verwies er darauf, dass auf keinem der 30
LTTE-Spitzenposten ein Vertreter aus der Region
Batticaloa-Amparai sitzt.
Der Bruch mit der LTTE war vollständig vollzogen als Karuna Prabhakaran
aufforderte die Allmacht von TOSIS-Chef Pottu Amman nicht nur
zu beschneiden, sondern ihn abzusetzen, was Prabhakaran
abschlägig beschied. Daraufhin ließ Karuna über die
norwegischen Vermittler der Regierung in Colombo einen
entsprechenden Bericht zukommen und erklärte seine
Verhandlungsbereitschaft.
In der Folgezeit bot sich Karuna der Bevölkerung im Osten
des Landes, die 2002 zu etwa gleichen Teilen aus Tamilen,
Singhalesen und Moslems bestand indirekt als Führer an. Unter
der tamilischen Bevölkerung genoss Karuna weiterhin
beträchtliches Ansehen. Auf Karuna's Separationsbestrebungen
reagierte das LTTE-Hauptquartier in Wanni am 06. März 2002 mit
der Enthebung des Renegaten von allen Funktionen.
In dem Interview für die Zeitung "The Hindu" äußerte Karuna
Positionen, die so bislang von der LTTE nicht zu hören waren.
Im Friedensdialog habe man beispielsweise mit Colombo nicht
über die Schaffung eines Tamilen-Staates verhandelt, sondern
lediglich "über die Möglichkeit eines föderalen Systems".
Heute existiere eine andere Situation in der Welt, angesichts
der "es unmöglich ist, einen separaten Staat zu etablieren".
"Wenn wir das trotzdem versuchen, gibt es auf beiden Seiten
nur noch mehr Zerstörung, aber keine Lösung. Wir werden keinen
eigenen Staat bekommen. Ich bin überzeugt, wir können das (den
ethnisch-sozialen Konflikt) nicht durch Krieg lösen", sagte
Karuna, der 20 Jahre lang für die LTTE kämpfte. Nach dem
Attentat auf Rajiv Gandhi im Mai 1991, dem "schwersten
Fehler des Geheimdienstes der LTTE", sei der "Befreiungskampf
ganz schlimm entartet". Er selbst sei ja in Indien zu einer
Zeit ausgebildet worden, als man die Rebellen als
Befreiungskämpfer behandelte. Über Prabhakaran sagte er,
eigentlich sei dieser "ein guter Mensch gewesen, wurde aber
von der ihn umgebenden Clique
verdorben" und dulde keinen Ebenbürtigen neben sich.
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Kindersoldaten in Sri Lanka |
Die Wanni-Führung charakterisiert der Abtrünnige als
arrogant. Sie glaube, sie könne tun, was sie wolle, auch
andere Gemeinschaften unterdrücken. Diese Bemerkung hat
besonderes Gewicht vor dem Hintergrund, dass im Osten Sri
Lankas die Bevölkerung zu etwa gleichen Teilen aus Tamilen,
Singhalesen und Muslimen
besteht. Ihr bietet sich Karuna nun indirekt als Führer an -
und das drei Wochen vor den damals anstehenden
Parlamentswahlen. Die Stärke der LTTE lag bis dahin in ihrer
Geschlossenheit und in der einhellig vertretenen und auch
gegenüber Colombo durchgesetzten Auffassung, dass die Regionen
des Ostens und des Nordens als Ganzes verwaltet werden müssen,
egal, ob in einer föderalen Struktur oder in einem künftigen
Tamilenstaat. Mit Karunas Kehrtwende zerbarst dieses
Fundament.
In der Folgezeit kooperierte Karuna nun mit seinen
ehemaligen Gegnern, der sri-lankischen Regierung, und
bekämpfte seine früheren Kampfgenossen der LTTE mit ganz
besonderer Härte. Dabei scheute er auch nicht davor zurück
Kinder, Jungen wie Mädchen, als Soldaten zu zwangsrekrutieren
und in den Kampf gegen die LTTE zu schicken. Nach einem
internen Konflikt innerhalb seiner paramilitärischen
Organisation Tamil Makkal Viduthalai Pulikal
(TMVP) in 2007 wurde Karuna von seinen ehemaligen Mitstreitern
ausgestoßen und verließ Batticaloa. Karuna's Stellverterter
Pillaiyaan übernahm mit Hilfe der sri-lankischen Regierung das
Kommando über die TMVP, die für die Militärs nun als
Ordnungsfaktor im Osten tätig ist.
Am 10.05.2007 erhielt Vinayagamoorthy Muraleetharan
einen Personalausweis, ausgestellt durch die Regierung
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Ausweis im
Besitz Karuna's mit dem Namen Vigneswaran
Mathankumar |
in Colombo, der seine Person fortan als Vigneswaran
Mathankumar auswies. Unter anderen mit diesem Papier sollen
sich Karuna und seine Ehefrau dann die Einreise nach
Großbritannien erschlichen haben, wo er laut der Zeitung "The
Guardian" im Rahmen einer gemeinsamen Razzia der
Einwanderungsbehörde und der Metropolitan Police am 02.11.2007
in London festgenommen wurde. Das britische Innenministerium
bestätigte gegenüber "The Guardian", dass der ehemalige
LTTE-Kommandeur in einem Einreisezentrum festgehalten werde.
Das Ministerium wollte nicht bestätigen, dass der Fall von der
internen Einheit für Kriegsverbrechen untersucht werde. Die
LTTE ist in Großbritannien als terroristische Organisation
verboten.
Amnesty International, Human Rights Watch und die Coalition to Stop
Child Soldiers untersuchen die Möglichkeit, eine offizielle
Ermittlung anzustoßen. In Großbritannien kann die Regierung
Anklage gegen Personen erheben, die unter dem Verdacht stehen,
Kriegsverbrechen oder Folterungen, auch außerhalb des
Vereinigten Königreiches, begangen zu haben.
Ein Sprecher von Amnesty International bestätigte, dass die
Justizbehörden Großbritanniens gemäß Artikel 6 der Genfer
Konvention Anklage erheben können, wenn glaubwürdige Beweise
für Folterungen vorliegen. Offen ist die Frage, ob in
Großbritannien die universelle Gerichtsbarkeit für
Kriegsverbrechen auch den Einsatz von Kindersoldaten umfasst.
Das Innenministerium erklärte: „Wir haben eine Einheit für
Kriegsverbrechen, die in 2004 gegründet wurde, um
sicherzustellen, dass wir keinen Kriegsverbrechern Zuflucht
gewähren. Wo angebracht, leiten wir die Fälle an die Metropolitan Police zur Strafverfolgung weiter.“
Menschenrechtsgruppen, wie Amnesty International, fürchten,
dass Karuna vom Innenministerium abgeschoben werden könnte,
bevor er in Großbritannien angeklagt werden kann.
Die Hindustan Times berichtete indes, dass Karuna, der von den
britischen Autoritäten wegen Passvergehens inhaftiert ist,
Asyl beantragt habe.
nucleus
15.11.07
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